| Jüdischer Landesverband

65 Jahre jüdischer Landesverband Rheinland-Pfalz - Wir dürfen über Antisemitismus nicht schweigen

„Rheinland-Pfalz ist jüdische Heimat und blickt auf eine lange jüdische Tradition zurück, die durch die Shoa eine jähe Zäsur erfahren hat. Die Entscheidung, trotz des erfahrenen Leides, ein aktives jüdisches Leben in Rheinland-Pfalz wieder erblühen zu lassen, ist ein unermesslicher Vertrauensvorschuss der Überlebenden an unser Land, dem wir uns bis heute als würdig erweisen wollen. Für uns ergibt sich hieraus die Verpflichtung, das jüdische Erbe zu ehren und Anfeindungen, wie sie auf deutschen Straßen wieder populär werden, aktiv entgegenzustehen. Heimat ist ein Ort, an dem man sich sicher fühlt und es erfüllt mich mit Trauer, dass aktuell besondere Sicherheitsmaßnahmen für unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger ergriffen werden müssen. Der Schutz von Jüdinnen und Juden, religiösen Einrichtungen und Schulen hat für uns oberste Priorität. Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, wie der jüdische Landesverband und die jüdischen Gemeinden auch in herausfordernden Zeiten den Geist der Offenheit leben und sich weit über die religiösen Grenzen hinaus für Toleranz und Vielfalt engagieren. Ich gratuliere herzlich zu diesem bewegenden 65. Jahrestag“, so Ministerpräsident Alexander Schweitzer.

Der Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 hat die tief verankerten Spannungen und Herausforderungen in unserer Gesellschaft deutlich gemacht. Der Anschlag, der sich durch extreme Brutalität und Menschenverachtung auszeichnete, rückt die Notwendigkeit ins Zentrum, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Ablehnung von Extremismus zu stärken. Eine Aufgabe, der wir uns als Landesregierung verantwortungsbewusst stellen. Antisemitismus grassiert wieder in der Gesellschaft und ist salonfähig geworden – ein Zustand der niemals akzeptiert werden darf und dem wir beharrlich entgegentreten. „Jeder Einzelne von uns ist gefragt, aufzustehen und zu widersprechen, wenn Menschen unterdrückt, Minderheiten bedroht oder Gewalt eingesetzt wird. Bei der Bekämpfung des Antisemitismus geht es um nicht weniger als die Grundlage unserer Demokratie und den Kampf gegen jegliche Entmenschlichung. Es gibt daher nur eine Antwort: Wir, jeder Einzelne und als ganze Gesellschaft, dürfen keinerlei Antisemitismus dulden. Umso mehr danke ich in diesen Zeiten dem Engagement und der Arbeit der jüdischen Gemeinden und ihrem Landesverband in Rheinland-Pfalz“, sagt Wissenschaftsminister Clemens Hoch anlässlich der Feier zum Jahrestag in der Staatskanzlei.  

Es ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit, dass jüdisches Leben in Rheinland-Pfalz nach dem Vernichtungswahnsinn der Nazis im Zweiten Weltkrieg wieder entstanden ist. Doch wir freuen uns heute im Jahr 2024 sehr darüber, dass aktives jüdisches Leben in Bad Kreuznach, Koblenz, Ludwigshafen, Speyer, Kaiserslautern, Trier, Mainz und Worms stattfindet und die Gemeinden das Fundament für ein lebendiges und vielfältiges jüdisches Leben legen. Nicht nur im geistigen oder kulturellem Sinne, sondern auch als soziale Treffpunkte, Begegnungsorte für Jung und Alt oder Bildungsstätten für Kinder und Jugendliche. Auch die Gründung des jüdischen Studierendenverbands Hinenu, der die Perspektiven junger Jüdinnen und Juden in den Hochschulen noch stärker in die gesellschaftspolitische Diskussion einbringt, ist ein deutlicher Beweis dafür, dass das jüdische Leben in Rheinland-Pfalz sich entfaltet und selbstverständlich ist.

„Das unterbrochene jüdische Leben in Rheinland-Pfalz nahm nach der Shoah einen neuen Anfang und fand vor 65 Jahren, im Jahr 1959, mit der Gründung des Landesverbandes einen bedeutenden Meilenstein. Trotz der schmerzhaften Ereignisse in der Geschichte hat das jüdische Volk hier über 1.700 Jahre lang seine Weisheit, Tradition und Kultur verwurzelt. Ich bin stolz, deutscher jüdischer Abstammung zu sein und sehe es als unsere Verantwortung, das deutsche Judentum heute wieder aufzubauen und weiter zu stärken“, erklärt Avadislav Avadiev, Vorsitzender des jüdischen Landesverbandes Rheinland-Pfalz.  

„Die jüdischen Bürgerinnen und Bürger in unserem Land bereichern unsere Gesellschaft mit ihrer Kultur, ihrer Religion und ihrem Wissen. Wie vielfältig und bedeutend jüdisches Leben ist, spiegelt sich im UNESCO Welterbe, den SchUM-Stätten und im Landjudentum wieder. Aber auch in vielen Erzählungen vermitteln uns rheinland-pfälzische Jüdinnen und Juden ihr facettenreiches Leben und ihre Geschichte. Dafür sollten wir allen sehr dankbar sein. Ohne sie wäre unser Land ärmer. Umso beschämender ist der erstarkende Antisemitismus, der dazu beiträgt, dass Jüdinnen und Juden aus Angst ihre Identität verbergen. Wir sind alle dazu aufgerufen, sich ihm entgegenzustellen und ihn zu bekämpfen“, sagt Monika Fuhr, die Beauftragte des Ministerpräsidenten für jüdisches Leben und Antisemitismusfragen.

Hintergrund:

Der Landesverband der jüdischen Gemeinden von Rheinland-Pfalz, gegründet am 8.11.1959, ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Es handelt sich um einen Zusammenschluss von Jüdischen Kultusgemeinden in Rheinland-Pfalz mit Sitz in Mainz. Der Landesverband ist Mitglied im Zentralrat der Juden in Deutschland. Mit insgesamt circa 2000 Gemeindemitgliedern (Stand 2022) ist er einer der kleineren Verbände innerhalb des Zentralrats. Vorsitzender ist seit 2014 Herr Avadislav Avadiev, der zugleich Vorsitzender der Gemeinde Koblenz ist. Seine Stellvertreter sind Herr Eppstein (Vorsitzender der Gemeinde Rheinpfalz) und Herr Ryvlin (Vorsitzender der Gemeinde Bad Kreuznach).

Der erste Staatsvertrag mit dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Rheinland-Pfalz wurde am 3. Dezember 1999 von Herrn Ministerpräsidenten Kurt Beck und den Vertreterinnen und Vertretern des Jüdischen Landesverbandes unterzeichnet. Mit der Neufassung der Verträge mit dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden und der Jüdischen Kultusgemeinden Mainz-Rheinhessen im Jahr 2023 hat das Land ein wichtiges Zeichen gesetzt. Die jährliche Landesleistung wurde ab dem Haushaltsjahr 2023 verdoppelt und auf insgesamt 1,1 Millionen Euro erhöht.

 

 

 

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